Bildnis 1
Das Gemälde, Öl auf Holz, 39 x 36 cm, Bildnis 1, kommt in seiner schütteren Gestalt der Beschreibung Franckenbergs vielleicht am nächsten, obwohl es erst rund einhundert Jahre nach Böhmes Tod entstand. Es ist daher zurecht das am meisten bekannte Portrait Böhmes. Der Maler ist unbekannt, man vermutet Christian Gottlob Glymann (1684-1730)
Bildnis 2
Die Farbzeichnung aus der Zeit um 1720 stammt aus einer Handschriftensammlung, die im Original in der Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften liegt.. Der Maler heißt Christian Gabriel Funcke (1658 – 1740), ein Gymnasiallehrer in Görlitz, lässt von den Verfolgungen und Nöten Böhmes wenig erkennen. Das Bild zeigt uns Böhme in einer zugleich demütigen und gelassenen, souveränen Haltung, eingerahmt in einen Ehrenkranz, und die wie eingezogene Flügel anmutenden Hände hält er an der Brust, eingezogen wie eine stille Seele, wie ein demütiger Stoiker, dessen milden Blick er freilich skeptisch auf den Betrachter gerichtet hält.
Bildnis 3
Die Sanduhr, Symbol verrinnender Zeit, scheint den Schreiber zur Eile anzutreiben, während die Lederfetzen unfertiger Schuhe und das Werkzeug unordentlich in der Schusterwerkstatt herumliegen. Die Füße stehen eng nebeneinander, die Körperhaltung wirkt angestrengt, und der Blick ist ernst. Der Szene fehlt jede Verklärung, der Blick ist nicht in den Himmel gerichtet. Fenster und Tür sind verschlossen. Diese Gestalt des Schreibenden unterscheidet sich von allen anderen Bildnissen Böhmes durch eine volle­re Haarpracht und einen energischen Blick. Der Grafiker, Joseph Mulder, hat 1686 in einer niederländischen Ausgabe ein sehr abweichendes Bild gezeichnet: realistisch, sehr lebensnah.
Bildnis 4
Es ziert die Titelei der Ausgabe des „Mysterium Magnum“ von Heinrich Betkius 1677. Sehr stark sind die Wangenfalten betont, das Gesicht wirkt wie ein auf dem Kopf stehendes Dreieck, vielleicht eine Anspielung auf die Kabbalistik, die das Werk auf eigenwillige Weise enthält. Der Spruch stammt von Angelus Silesius (Johannes Scheffler) und lautet: „Im Wasser lebt der Fisch, die Pflanzen in der Erde; Der Vogel in der Luft, die Sonn‘ am Firmament; Der Salamander muss im Feu’r erhalten werden, Und Gottes Herz ist Jacob Böhmens Element.“
Bildnis 5
Ebenfalls von Emblemsprüchen untermauert sind die nächsten beiden Titelkupfer. Bildnis 5 zeigt einen Jacob Böhme, der etwas wohlbeleibt uns anschaut, nicht streng, etwas fremdelnd, aber gesund, selbstbewusst und auf uns leicht herabsehend. Das Bildnis ist der zweibändigen Ausgabe Hamburg 1715 entnommen, hg. von Glüsing, der Spruch lautet: „Hört, was der Engel schallt, den Jesus aus-erkoren, Wie seiner Weisheit Licht, im lieben Demuts-Thron, Zum rechten Hochzeitskleid und Geistes Sieges-Kron‘, Uns mit der Leinen der Keuschheit sey geboren.“ Der Bezug dieses rätselhaften Spruchs wird benannt: Apokalypse Kapitel 3; Verse 19 bis 21, sowie Kapitel 19; Verse 7 bis 9. Wenn ich in der letzten Zeile das vierte Wort mit „Leinen“ richtig entziffere, dann meint es das weiße Leinen in Apok. 19 Vers 8: „Das Leinen aber ist die Gerechtigkeit der Heiligen.“ Sie nämlich werden am Hochzeitsmahl des Lammes geladen. Dass es diesen Gewinnern der Offenbarung gut gehen wird, das scheint sich in der saturierten Gestalt dieses Böhmes zu zeigen.
Bildnis 6
„Dies ist der Schatten nur von dem Gefäß der Ehren, Dem Gott vertrauet hat das Centrum der Natur. Wer mit ihm treffen will die rechte Lebens-Spur, Muß durch des Feuers Angst den Engel ausgebären.“ Dieser Spruch steht vielleicht von allen hier zitierten Emblemen am deutlichsten im Widerspruch zum Bildnis. Der Schreiber beendet seine Tätigkeit kurz, legt die Hände auf die Brust, als sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen, worüber er lächelnd zum Leser schaut. Auch er sitzt in seiner Schusterwerkstatt, ohne dem Handwerk nachzugehen. Die Grafik ist einer Böhme-Ausgabe von 1835 entnommen und stammt von Johann Heinrich Meili aus einer Auswahl-Edition Böhmischer Texte.
Bildnis 7
Das letzte Bild dieser kleinen Reihe, Bildnis 7, ist dem Film „Hommage à Jacob Böhme“ von 2015 entnommen, Böhme ist hier dargestellt von Klaus Weingarten. Ob Jacob Böhme wirklich auf Bäumen geschlafen hat, wissen wir nicht. Diese Phantasie markiert eine ähnliche Differenz zwischen Böhmes Biographie und dem, was die Zeichner und Maler sich in ihre Portraits hineingedacht haben. Der Film zumindest zeigt sehr schön, dass die Bilder, die uns Jacob Böhme zeigen, von uns selbst stammen, weil wir kein anderes haben.

 

 

 

 

Titelkupfer

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Diese Text-Bild-Kombinationen, die wie Werbetexte oder Klappentexte zu den einzelnen Werken Böhmes anmuten, stammen mit hoher Wahrschenlichkeit von dem Kupferstecher der Titelkupfer, Michael Andreae (1628-1720). In der Ausgabe 1682 stehen diese Texte neben den Bildern einzeln vor den jeweiligen Werken. In der Ausgabe von 1715 stehen sie im Anhang des zweiten Bandes en-bloc, aber ohne die Bilder, und für die Ausgabe von 1730 waren sie, wie die Bilder, zunächst gar nicht vorgesehen.Sie wurden 1731 in einem extra-Band mitsamt der Bilder nachträglich publiziert. (1) Wir bringen diese Texte in einer behutsam modernisierten Orthographie.

Die Texte  stammen also nicht von Jacob Böhme. Sie formulieren einen eigenen Zugang zu den Werken, haben einen eigenen Stil und beziehen sich nur zum Teil auf die dazugehörigen Titelkupfer, die sie zwar erklären sollen, jedoch oft von ihnen abweichen und im Zusammenhang aller ein eigenes Werk darstellen. Es sei der Hinweis erlaubt, dass diese Texte, die ein dialogisches Verhältnis zu den Titelkupfern haben, noch nicht philologisch behandelt worden sind.

Sie finden diese Bilder auch bei unseren Kommentaren zu den Einzelwerken: Weiterlesen

 

In den Ausgaben 1682 und 1730

 

Zu Lebzeiten Böhmes gab es noch keine Titelkupfer zu seinen Werken, von denen fast alle posthum in Druck erschienen sind. Die hier verwendeten Titelkupfer stammen aus der Ausgabe der Werke Böhmes von 1682.

Die große, von Johann Wilhem Überfeld besorgte Ausgabe der Schriften Böhmes von 1730, die bis heute verwendet wird, enthielt zunächst keine Titelkupfer. Dies verwundert angesichts der für damalige Verhältnisse vorbildlichen Vollständigkeit einer Werkedition. Erst nachträglich bringen die Herausgeber 1731 ersatzweise eine…:

„Andeutung oder Erklärung der Titel-Figuren und Kupfer, welche des hocherleuchteten Jacob Böhmens Schriften holländischer Edition beygefügt sind, und nunmehro auch bey dieser gegenwärtigen neuen Auflage den Liebhabern derselben mitgetheilt werden.“

Über die uns seltsam anmutende Entscheidung, zwar die „Erklärung“ der Titelbilder zu edieren, nicht jedoch die bildlichen Figuren selbst, rechtfertigen sich in der Ausgabe von 1730 die Herausgeber darüber mit folgenden Worten:

„Nachdem diese verbesserte und vermehrte Edition (von 1730 – TI) aller Schriften des seligen Jacob Böhmens völlig ausgefertiget war  / bedauerten viele / daß die Kupfer, welche bey dem Amsterdamer Druck von Anno 1682 verschiedenen Tractaten vorangefüget worden / dißmal wegbleiben sollten, und meinten / daß der Vollständigkeit dieser neuen Auflage auf solche Weise etwas abginge. Ob nun gleich bereits in der Erinnerung / die gegenwärtiger Edition vorgesetzt (…), was es mit diesen Kupfern vor eine Bewandniß habe / und solches ein ieder, der diese Schriften lesen will / wohl erwegen mag; so hat doch endlich ein andrer Freund erachtet / es würde von denen / die wieder (= gegen – TI) diese Kupfer sind, nicht so arg gedeutet werden können / wenn man bey sothaner Warnung den Liebhabern / welche die fremden Kupfer dennoch darbey zu haben wünschten / zu Willen wäre. Wie nun selbige ihnen hiermit zugleich übergeben werden; als die zum wenigsten als eine Zierde dieser Schriften seyn können / ob sie schon nicht von des Autoris Geist herstammen sollten; so hat man diese Figuren nicht weniger auch mit den Erklärungen  / welche dort von den Erfindern über iedes Kupfer gemacht und gleich beygefüget worden / anbei noch versehen / iedoch aber alle lieber alhier zusammen drucken lassen wollen: und mögen diese Blätter nach Belieben entweder bald nach dem Haupt=Titel vorangesetzt / oder aber hinten an das dreyfache Register mit angebunden werden. Solchergestalt wird dann nunmehro niemand wegen der noch hinzugethanen schönen Kupfer=Stiche sagen können, daß gegenwärtige Edition dißfalls mangelhaft sey. Ich wünsche aber darbey auch herzlich / daß ieder einen rechten Gebrauch davon machen möge.“

Dieser Erklärung zufolge läge um 1730 nicht etwa ein finanzielles oder technisches Hindernis vor, diese hochartifiziellen und in ihrer Art wohl einmaligen Titelfiguren zu verwenden, sondern ein inhaltliches Bedenken: Ihre bildliche Aussage könnte den Worten Böhmes nicht entsprechen. Obwohl in der Geschichte der Buchillustrationen stets der Vorbehalt bekannt ist, dass Illustrationen und ihre textuelle Vorlage nie die gleichen Aussagen treffen, ist in diesem Fall offensichtlich die Reserve gegen die Titelfiguren erheblicher. Der Entscheidung, sie wegzulassen, könnten Debatten um die prinzipielle Abbildbarkeit von Böhmes Texten vorangegangen sein. Immerhin handelt es sich bei Böhmes Texten, so der zeitgenössische Titel der Werke, um „Alle Göttlichen Schriften“ des als „hocherleuchtet“ geltenden Jacob Böhme.

Ein anderer Grund hat mit inhaltlichen Überlegungen nichts zu tun. Zwischen Michael Andreae, dem mutmaßlichen Schöpfer der Kupferstiche, und Johann Georg Gichtel, einem der Herausgeber der Ausgabe von 1682, war es nach dieser Edition zum Bruch gekommen. Andreae wurde für ihn zur Unperson, die er auch für den mit Gichtel befreundeten Johann Wilhelm Überfeld, den Herausgeber der Ausgabe von 1730/31, zeitlebens blieb. Noch 10 Jahre nach dessen Tod im Jahr 1720 war Überfelds Aversion gegen Andreae „...so groß, daß dessen Illustrationen bei der Neuauflage von Böhmes gesammelten Werken unter dem Titel Theosophia revelata (1730) nur mit knapper Not beibehalten wurden. Die alten Platten, die zu Huygens' Zeit in einer Kiste unter den Auroren lagen, wurden schließlich doch nachgestochen und ein Jahr später (1731) erschienen die Stiche in einem Ergänzungsband unter dem Titel Andeutung oder Erklärung der Titul-Figuren [...]. Es ist jedoch nicht unmöglich, daß dies gegen den Willen Überfelds geschah, der am 19. Juli desselben Jahres starb." (Frank van Lamoen: „Der unbekannte Illustrator: Michael Andreae“. In: Theodor Harmsen (Hg.): Jacob Böhmes Weg in die Welt. Amsterdam: In de Pelikaan, 2007, S. 259. Dort finden sich zahlreiche Abbildungen zu Böhmes Werken).

Dieser Zusammenhang kann hier nur angedeutet werden. Der kunsthistorischen Forschung eröffnet sich hinsichtlich der Böhme-Illustrationen noch ein interessantes Feld.

Günther Bonheim / Thomas Isermann

 


 
1 = Vgl. die Ausführungen von: Frank van Lamoen: Der unbekannte Illustrator Michael Andreae. In: Jacob Böhmes Weg in  die Welt. Herausgegeben von Theodor Harmsen. Amsterdam, In de Pelikaan 2007, S. 159. Dort finden sich auch die Bildbeschreibungen in der Fassung der Ausgabe 1682.

Die Abbildungen finden sich auch in: Jacob Böhme: Sämtliche Schriften. Faksimile-Neudruck der Ausgabe von 1730 in 11 Bänden. Begonnen von August Faust, neu herausgegeben von Will-Erich Peuckert. Stuttgart 1942 – 1961. In dieser Faksimile-Edition wurden die Titelfiguren von 1682 mit aufgenommen. Diese Ausgabe ist die nach wie vor immer noch maßgebliche Gesamtausgabe der Schriften Böhmes.

Vgl. auch: Christoph Geissmar: Das Auge Gottes. Bilder zu Jacob Böhme. Wiesbaden 1993

 

In der Ausgabe1715...

 

In der zweibändigen Ausgabe Hamburg 1715, die textgleich mit denen von 1682 und 1730 ist, sind die Titelkupfer nicht enthalten. Dafür finden sich weniger bekannte Abbildungen in der Ausgabe 1715, die wir hier zeigen, zum Beispiel diese Dreieck-Komposition, die dem Anhang (Indizes und Berichte) vorangestellt wurden.

Zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken.

Grafik Anhang 1715 Boehme

 

 Titelkupfer mit Erklärungen von 1682