Wir gratulieren dem Jacob-Böhme-Freund aus Salzburg, Dr. Heinrich Hilpert, sehr herzlich zum einhundertsten Geburtstag.
Heinrich Hilpert ist ein Kind seiner Zeit und ein Zeitgenosse vieler Gegenwarten. Bevor wir auf sein Verhältnis zu Jacob Böhme eingehen, werfen wir einen Blick auf seinen Lebenslauf. Er zeigt ein wechselvolles Leben in sich stets wandelnden Zeiten. Geboren ist er am 20. Mai 1922 als erstes von drei Kindern in Radstadt, Österreich, in Sichtweite des Dachsteingebirges. Der Vater Guido Hilpert war ein Postamtsvorstand. 1935 siedelte die Familie nach Salzburg aus ökonomischen Überlegungen, auch um die Internatskosten für die Kinder einzusparen.
Nach der Matura am Staatsgymnasium Salzburg 1940 musste Heinrich Hilpert für sechs Monate zum Reichsarbeitsdienst, danach erhielt er einen ersten Arbeitsplatz bei der Landes-Krankenkasse. Sein damaliges Interesse galt der Landwirtschaft. Seine Absicht, in Wien Bodenkultur zu studieren, ermöglichte ihm einen Wechsel in den Reichsnährstand. Wegen starker Kurzsichtigkeit war bei der Musterung keine Einberufung vorgesehen. Trotz dieses Handicaps erhielt Heinrich Hilpert 1942 die Einberufung zur Wehrmacht. Er leistete Schreibstubentätigkeit in der Standortkompanie Salzburg. Doch 1944 wurde er unerwartet umgestuft zur Arbeitsfähigkeit mit Fronttauglichkeit. Mit einer Gebirgsjäger-Einheit wurde er zum Fronteinsatz in die französischen Vogesen verlegt. Nach nur einer Woche Einsatz geriet er in amerikanische Gefangenschaft, die er in Marseille zubrachte, indem er zur Arbeit an die Franzosen ausgeliehen wurde.
1945 kehrte Heinrich Hilpert nach Salzburg zurück. Er war von 1945 bis 1956 bei „United Press Assoc.“ beschäftigt und nebenberuflich Landtagsstenotypist des Salzburger Landtags. Die „Salzburger Nachrichten“ und „United Press“ teilten sich damals einen Fernschreiber und beide Unternehmen waren im gleichen Haus untergebracht. Heinrich Hilpert begann 1945 als Betreuer des Fernschreibers, während er sich zumeist in der Nachtschicht dem Studium widmen und am Tag die Vorlesungen besuchen konnte. Diese Lösung ermöglichte daher den Beginn des Philosophiestudiums an der Universität Salzburg. 1952 schloss er das Studium mit Römisch päpstlichem Doktorat ab, das durch die Universität Graz nostrifiziert und austrofiziert wurde.
Allmählich arbeitete er sich zum Redakteur und Journalisten empor, so dass auch der Eigentümer der „Salzburger Nachrichten“ auf ihn aufmerksam wurde, was zu seiner Berufung nach Wien führte. 1956 boten ihm die „Salzburger Nachrichten“ die Leitung der Redaktion in Wien an, woraufhin er 1956 nach Wien übersiedelte und dort 1957 den Bund der Ehe mit Elisabeth, einer Stenotypistin, einging.
Landwirtschaftskammer und Raiffeisen gründeten 1960 einen täglich erscheinenden Pressedienst in Wien, das „Agrarische Infomationszentrum AIZ“. Heinrich Hilpert übernahm die Leitung und führte gemeinsam mit seiner Ehefrau den Pressedienst erfolgreich bis zum gemeinsamen Übertritt in den Ruhestand 1985, der ihm, statt Ruhe, ein lange andauerndes Beschäftigungsfeld bot. Seit 1991 wohnen er und seine Frau wieder in Salzburg, wo die Ehegattin Elisabeth 2016 verschied.
Er hat 1953 eine Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde über „Die Leidenstheorie Jakob Böhmes“ verfasst, die nur als Typoskript vorliegt und die wir vor rund einem Jahr hier auf unserer Homepage als Faksimile veröffentlicht haben. Seitdem ist sie von mehreren hundert Lesern unserer Homepage aufgenommen worden.
Der Ansatz des Autors, das „Phänomen“ Böhme aus der Perspektive seiner Leidenstheorie oder überhaupt des Leidens als Bestandteil der von Böhme thematisierten göttlichen Sphäre zu betrachten, erfasst ein wesentliches Element der mystischen Philosophie, wie deren Tradition diese Arbeit plausibel nachzeichnet. Bei Jacob Böhme ist das Leiden durchaus ein Mitleiden, ein Anliegen seiner Sozialkritik, und eine erkannte Folge des Bösen in der Welt, das der barocke Autor Böhme um 1620 bereits in den Abgründen Gottes formuliert, nicht immer zur Freude der Kirchen, sondern als deren Antreiber, Reformator und Erneuerer.
Das Leiden bei Jacob Böhme zu betonen, zeigt eine deutliche Aktualität dieser Arbeit Heinrich Hilperts von 1952, die in weiten Strecken keinesfalls überholt scheint. Durch die Konzentration auf das Leiden wird der abstrakte Begriff des Bösen in die konkrete Erfahrbarkeit in unserem Leben ermöglicht. Denn vor dem Begriff des „Bösen“, bei dem nicht einmal sicher ist, ob es „das Böse“ überhaupt gibt, steht das Leiden als eine Erfahrung, die es auf jeden Fall gibt, die jeder von uns in irgendeiner Form erlebt, und zu dessen Bestätigung heute wie ehedem ein kleiner Rundumblick ausreicht, um zu sehen: Selten gab es, global gesehen, mehr Leid als in unserer Zeit, und es wird immer mehr. Nicht nur für die Freunde Jacob Böhmes in der Welt, in der wir leben, wird das Thema Heinrich Hilperts über das Leiden in der Welt ebenfalls immer aktueller. Wir haben wieder Krieg in Europa, wie wenig Menschen können sich an den letzten aus eigenem Erleben erinnern, die noch aus der Generation Heinrich Hilperts stammen.
Die Arbeit von Dr. Heinrich Hilpert über die Leidenstheorie bei Jacob Böhme ist in diesem Sinn noch zu entdecken. Sie enthält denn auch stets die Zuversicht, die uns aus den Lehren der Vergangenheit den Glauben weiterreicht, dass die Liebe die Gegenwart erfüllt und als Hoffnung uns in die Zukunft blicken lässt.
Wir wünschen Dr. Heinrich Hilpert alles Gute und freuen uns über seinen einhundertsten Geburtstag.
Thomas Isermann
für den Vorstand der Internationalen Jacob Böhme Gesellschaft
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